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Aus dieser Erkenntnis der Nichtigkeit der menschlichen Existenz kann sich eine Stärke bilden für die paar Lebensjahre, die man hat. Man genießt jeden Augenblick mehr als Gläubige, für die nach der ersten Party noch eine zweite kommt. Man spürt aber auch die Verpflichtung, jede Minute der eigenen Existenz sinnvoll zu nutzen für sich selbst und für andere. Dabei sollte man das eigene Ich jedoch nicht so schrecklich wichtig nehmen, denn nur wer von seinem Selbst lassen kann, entwickelt ein gelasseneres Selbst.
Splett: Nicht ich nehme mich wichtig – jemand nimmt mich wichtig. Wie Brecht sagt: Jemand, der mich lieb hat, hat mir gesagt, pass auf dich auf. Seither habe ich Angst vor jedem Regentropfen, dass er mich erschlagen könnte. Elias Canetti, ein denkender und ernsthafter Atheist, sagte einmal: Was er als Atheist am meisten vermisst, ist eine Adresse für seine Dankbarkeit. Schmidt-Salomon: Aber das sind doch die Mitmenschen! Splett: Natürlich bin ich erst mal dem Mitmenschen dankbar, und der ist mir dankbar. Und dann stehen wir da mit unseren Blumen, und wohin jetzt damit? Natürlich bin ich meiner Frau dankbar, und sie ist mir dankbar. Und was machen wir jetzt mit unserer gemeinsamen Dankbarkeit? Schmidt-Salomon: Sie können mir wirklich glauben, dass ich sehr, sehr dankbar bin. Ich habe großartige Erfahrungen machen dürfen, ich habe großes Glück mit meinem Gehirn, das offensichtlich nicht zu Depressionen neigt. Ich hab das alles nicht verdient! Aber ich leide nicht darunter, dass ich kein personales Gegenüber habe, dem ich das sagen kann, weil ich davon ausgehe, dass alles auf Zufall und Notwendigkeit zurückzuführen ist. „Ohne Gott gäbs kein Gutes. Nun gibt es aber das Gute, also gibt es Gott“ Splett: Die Welt ist für mich eben nicht ein Zufallsgeschenk, sondern als Ganze einschließlich meines Lebens und meiner selbst ein unglaubliches Geschenk. Das Eigentliche ist nicht das, was ich da kriege, sondern dass ich kriege, was ich kriege. Der Philosoph Franz von Baader sagt mit Recht: Dankbarkeit heißt, die Gegenwart des Gebers in der Gabe anerkennen. Schmidt-Salomon: Sie haben ja selbst gesagt, dass das Theodizee-Problem nicht lösbar ist. Und dabei dürfen wir nicht nur auf das Grauen in der Menschheitsgeschichte blicken, das im Holocaust gipfelte. Wir haben ja permanent eine Form von Holocaust in der Natur. Ein Gott, der diesen Holocaust zulässt, ein Gott, der die Welt so geschaffen hat, dass kleine Kinder an Leukämie erkranken und fürchterlich sterben, an einen solchen Gott kann ich nicht glauben! Angesichts all des Leids: Warum sind Sie nur dankbar für die Gabe? Müssten Sie nicht zugleich auch erschrocken sein über all das Elend? Hebt sich das nicht gegenseitig auf? Splett: Nein. Das liegt eben nicht auf einer Ebene. Das habe ich die ganze Zeit über versucht, klarzumachen. Wenn es Gott gibt, warum gibt es Leid? Auf diese Frage ist meine Antwort: Ich weiß es nicht. Auf die Frage: Wenn es Gott nicht gibt, woher dann das Gute?, ist meine Antwort nicht: Ich weiß es nicht. Sondern ich weiß: Ohne Gott gäbs kein Gutes. Nun gibt es aber das Gute, also gibt es Gott. Schmidt-Salomon: Ich wende dagegen ein, dass wir beides sehr gut erklären können. Denn sowohl das Schreckliche als auch das Positive lässt sich verstehen als Ausdruck des blinden Waltens von Zufall und Notwendigkeit. Diese Antwort entlastet ungemein und verleiht uns eine gewisse Leichtigkeit des Seins. Splett: Ich verstehe Ihre Strategie gut: Sie senken einfach die Frageebene und haben so eine Antwort auf beide Fragen – und haben den eigentlichen Punkt für Dankbarkeit gestrichen. Ich sehe mich verpflichtet, diese Dankbarkeit festzuhalten mit der Last der offenen Frage an dieser Stelle. Deswegen gehört es zu meinem Glauben dazu, dass er sich rechtfertigen können wird. So heißt es auch in der klassischen Fassung des 50. Psalms an Gott adressiert: Du wirst siegen, wenn du gerichtet wirst. Das kommt aber erst noch. Deswegen hat es ein Gottgläubiger schwerer als ein Atheist. Der hat die Leichtigkeit des Seins – bei uns liegt ein ziemliches Gewicht drauf. Was heute besser ankommt, ist klar. |
Plath hat folgendes geschrieben: | ||
aus http://www.die-tagespost.de/2008/index.php?option=com_content&task=view&id=100054052&Itemid=1
Kann diese Leichtigkeit eventuell nur von jenen nachvollzogen werden, die massiv mit religiösem Druck aufgewachsen sind? Mein Atheismus beruht eher darauf, dass ich sowieso wenig religiös beeinflußt wurde, ihn also nicht brauche, die Welt zu beurteilen - trotzdem kann ich keine "Leichtigkeit des Seins" feststellen. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Ihm fehlt die politische Dimension. |
AntagonisT hat folgendes geschrieben: | ||
Er ist ja auch kein Kommunist. |
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Kommunist oder nicht ist belanglos oder meinst du ein Philosoph muß sich nicht ums Politische kümmern? |
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Schmidt-Salomon: Ich wende dagegen ein, dass wir beides sehr gut erklären können. Denn sowohl das Schreckliche als auch das Positive lässt sich verstehen als Ausdruck des blinden Waltens von Zufall und Notwendigkeit. Diese Antwort entlastet ungemein und verleiht uns eine gewisse Leichtigkeit des Seins. |
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And such thought makes us free men; we no longer bow before the inevitable in Oriental subjection, but we absorb it, and make it a part of ourselves. To abandon the struggle for private happiness, to expel all eagerness of temporary desire, to burn with passion for eternal things--this is emancipation, and this is the free man's worship. And this liberation is effected by a contemplation of Fate; for Fate itself is subdued by the mind which leaves nothing to be purged by the purifying fire of Time.
United with his fellow-men by the strongest of all ties, the tie of a common doom, the free man finds that a new vision is with him always, shedding over every daily task the light of love. The life of Man is a long march through the night, surrounded by invisible foes, tortured by weariness and pain, towards a goal that few can hope to reach, and where none may tarry long. One by one, as they march, our comrades vanish from our sight, seized by the silent orders of omnipotent Death. Very brief is the time in which we can help them, in which their happiness or misery is decided. Be it ours to shed sunshine on their path, to lighten their sorrows by the balm of sympathy, to give them the pure joy of a never-tiring affection, to strengthen failing courage, to instil faith in hours of despair. Let us not weigh in grudging scales their merits and demerits, but let us think only of their need--of the sorrows, the difficulties, perhaps the blindnesses, that make the misery of their lives; let us remember that they are fellow-sufferers in the same darkness, actors in the same tragedy as ourselves. And so, when their day is over, when their good and their evil have become eternal by the immortality of the past, be it ours to feel that, where they suffered, where they failed, no deed of ours was the cause; but wherever a spark of the divine fire kindled in their hearts, we were ready with encouragement, with sympathy, with brave words in which high courage glowed. Brief and powerless is Man's life; on him and all his race the slow, sure doom falls pitiless and dark. Blind to good and evil, reckless of destruction, omnipotent matter rolls on its relentless way; for Man, condemned to-day to lose his dearest, to-morrow himself to pass through the gate of darkness, it remains only to cherish, ere yet the blow falls, the lofty thoughts that ennoble his little day; disdaining the coward terrors of the slave of Fate, to worship at the shrine that his own hands have built; undismayed by the empire of chance, to preserve a mind free from the wanton tyranny that rules his outward life; proudly defiant of the irresistible forces that tolerate, for a moment, his knowledge and his condemnation, to sustain alone, a weary but unyielding Atlas, the world that his own ideals have fashioned despite the trampling march of unconscious power. |
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Kann diese Leichtigkeit eventuell nur von jenen nachvollzogen werden, die massiv mit religiösem Druck aufgewachsen sind? |
jagy hat folgendes geschrieben: | ||||
Erinnert mich an Bertrand Russells "A Free Man's Worship", zu deutsch in Norbert Hoersters "Religionskritk" auf Reclam (allerdings nur antiquarisch zu bekommen): http://users.drew.edu/~JLENZ/br-fmw.html
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Tja, tut mir leid, wenn das darauf hinausläuft, aber das tut es nun mal. |
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Und selbst wenn ich hundertmal aufgrund meiner Biologie ein Idiot, nichtswissend und dumm bin, (was ich nie abstreiten werde), dann gilt das logischerweise für alle anderen ebenso. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
"Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." |
Zitat: |
"Mag ich die Gelassenheit finden, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden." |
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